ABC des Europarechts
Europäische Richtlinien und ihr Umsetzung Was ist eine europäische Richtlinie? Das Europarecht oder besser Gemeinschaftsrecht besteht aus drei verschiedenen Arten von Rechtsakten: dem Primärrecht (in erster Linie die Verträge), dem Sekundärrecht und der Rechtsprechung. Es ist ein unabhängiges Rechtssystem, das Vorrang vor den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften hat. Die Richtlinien gehören ebenso wie die Verordnungen zum so genannten Sekundärrecht. Das Sekundärrecht baut auf den Verträgen auf und wird im Wege unterschiedlicher Verfahren, die in einzelnen Vertragsartikeln festgelegt sind, von den Organen der Europäischen Gemeinschaft erlassen. Verordnungen
Richtlinien
Unmittelbare
Anwendbarkeit der Richtlinie gegenüber dem Staat
entfaltet sie gegenüber dem Staat unmittelbare Rechtswirkungen zugunsten des Bürgers. Unbeachtlich ist dabei, in welcher Funktion der Mitgliedstaat auftritt. Diese Verpflichtung trifft sogar Organisationen oder Einrichtungen, auf die der Staat „nur“ einen besonderen Einfluss hat, und dies unabhängig von ihrer Rechtsform. Umgekehrt kann aber die nicht rechtzeitige Umsetzung einer Richtlinie nicht zu einer Verpflichtung des Bürgers gegenüber dem Staat führen. Schadensersatzanspruch
gegen den Mitgliedstaat Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hatte im Jahr 1994 den Fall von Frau Dori zu entscheiden. Frau Dori hatte auf dem Hauptbahnhof von Mailand spontan von einem Straßenhändler einen Sprachkurs bestellt. Später reute sie sie Bestellung. Da aber der italiensche Gesetzgeber die europäische Richtlinie zum Widerruf von Haustür- und Straßengeschäften nicht fristgerecht umgesetzt hatte, sah das italienische Recht keinerlei Widerrufsmöglichkeit vor. Der EuGH verneinte in seiner Entscheidung von 14.07.1994 die unmittelbare Wirkung pflichtwidrig nicht umgesetzter europäischer Richtlinien. Ein Widerruf der Bestellung war somit für Frau Dori nicht möglich. Jedoch hat der EuGH im Fall Dori klargestellt, das dem Bürger, dem durch die pflichtwidrige Nichtumsetzung einer unmittelbar anwendbaren Richtlinie ein Schaden entstanden ist, unter bestimmten Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat zustehen kann. |